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Die Alkoholabhängigkeit eines Elternteils (oder beider Elternteile) hinterlässt häufig (bei ca. zwei Drittel betroffener Kinder) schmerzliche Spuren im Leben der erwachsenen Kinder, die diese manchmal ein Leben lang in sich tragen.

Die Fassade
Erwachsene Kinder aus Alkoholikerfamilien leben häufig hinter einer perfekten Fassade und Außenstehende würden niemals vermuten, was sich dahinter verbirgt.

Der Perfektionismus
Erwachsene Kinder aus Alkoholikerfamilien neigen zum Perfektionismus oder kümmern sich bis zur Selbstaufgabe um andere. Gerade in Partnerbeziehungen kommen diese Probleme zum Tragen. Sie suchen Nähe und finden sie nicht, da sie immer wieder Partner wählen, die selbst abhängig, unerreichbar oder bindungsunfähig sind. Sie erleben häufig, dass sie allein gelassen werden und fühlen sich überfordert – genau wie in ihrer eigenen Kindheit.

Die Abhängigkeit
Erwachsene Kinder aus Alkoholikerfamilien sind gefährdet, in eine Abhängigkeit zu geraten, da sie es nicht anders kennengelernt haben, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Das Risiko für ein Kind aus einer suchtbelasteten Familie, selbst suchtkrank zu werden, ist im Vergleich zu Kindern aus unbelasteten Familien ca. um das 6- bis 8-fache erhöht.
30%–50% von Kindern aus Suchtfamilien werden selbst im Laufe ihres Lebens suchtkrank, wobei der Eintritt der Störung im Durchschnitt früher als bei Alkoholabhängigen passiert, die aus einer nicht suchtbelasteten Familie stammen.

Die Belastungen
Erwachsene Kinder sind außerdem mit vielen anderen klinisch-psychologischen Diagnosen sehr häufig belastet (z. B. Stimmungsveränderungen, die meist in Richtung Depressionen gehen, Schizophrenien, psychosomatischer Störungen, Borderlinestörungen und antisoziale Persönlichkeitsstörungen – z. B. niedrige Schwelle für aggressives und gewalttätiges Verhalten).

Die Glaubenssätze
Viele erwachsene Kinder aus Alkoholikerfamilien sind der Meinung, sie hätten kein besseres Leben verdient. Wie kleine Kinder sehr bald in Rollen schlüpfen (siehe unter der Rubrik: Die kleinen Kinder/Die Rollen), um ihre Kindheit überstehen zu können, beginnen erwachsene Kinder immer mehr, nach ganz bestimmten Glaubenssätzen zu leben. Und erreichen im Endeffekt nur eines: Dass sie immer wieder selbst leiden müssen und sich der Sog der Abhängigkeit durch ihr gesamtes Leben zieht!

  • Kontrolliere deine Gefühle und verleugne alle Gefühle, die eigene emotionale Verletzlichkeit und Schwächen zeigen können.
  • Die Bedürfnisse der anderen in der Familie sind wichtiger als die eigenen.
  • Man darf sich nicht abgrenzen und die Verantwortung anderen überlassen, weil man sich dann schuldig machen würde.
  • Es gibt nur ein entweder – oder in Beziehungen.
  • Wenn man sich auf Nähe einlässt, dann muss man aber auch ganz für den anderen da sein.
  • Wenn man außerhalb der Familie zu erfolgreich ist, hat man es eigentlich gar nicht verdient, zumindest so lange, wie es anderen in der Familie noch schlecht geht.
  • Eigene Bedürfnisse dürfen, wenn überhaupt, nur über den Umweg geäußert werden, dass sie als die Bedürfnisse anderer interpretiert werden.
  • Konflikte dürfen nicht direkt geklärt und geäußert werden.
  • Man ist entweder ganz stark, aber dann muss man auch alle Verantwortung übernehmen, oder man ist ganz schwach, dann hat man aber auch keinerlei Verantwortung.

Dass sich diese Glaubenssätze letztlich bis hin in die Realität des Erwachsenenlebens fortsetzen, wird aus der klinisch-psychologischen Praxis mit erwachsenen Kindern aus Suchtfamilien oft deutlich.

Die Folgen
Für erwachsene Kinder aus Alkoholikerfamilien sind Erfahrungen vom Ausüben der Rollenmuster oder Erleben von Gewalt etc. als eine ernsthafte Bedrohung der seelischen und körperlichen Gesundheit anzusehen.
Die häufigste Folge ist das Risiko, selbst suchtkrank zu werden, was auch die Abhängigkeit von illegalen Drogen umfassen kann. Suchtmittelkonsum ist hierbei oft als Versuch der Selbstheilung bzw. Selbststeuerung aufzufassen, der zuletzt doch immer zum Scheitern verurteilt ist.

Die Hilfe
Betroffene Kinder können derzeit sehr hilfreiche Unterstützung zum Beispiel in einer Psychotherapie oder auch in Selbsthilfegruppen finden.

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Bezugsquellen: Buch: Vater, Mutter, Sucht von Waltraut Barnowski-Geiser, S. 41–49/A-Connect e.V./www.psychologie.uni-heidelberg.de

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Foto: © kellepics/pixabay